Lösungen findet nur, wer agiert – am besten gemeinsam!

Anfang März hätte die globalen Auswirkungen der Covid-19-Ausbreitung wahrscheinlich jeder für eine übertriebene Science-Fiction-Idee gehalten. Doch innerhalb weniger Tage wurde unser Alltag durch Ausgangsbeschränkungen, geschlossene Geschäfte, abgesagte Veranstaltungen und den Folgen daraus bestimmt. Die hypermobile Spaß- und Freizeitgesellschaft wurde plötzlich zu einer Vollbremsung gezwungen. Gleichzeitig mussten aber lebenswichtige Bereiche der Wirtschaft trotz der extremen Rahmenbedingungen weiterhin reibungslos funktionieren. Wie sehr war die Etikettenindustrie in den letzten beiden Monaten als Branche davon betroffen?

War fast jede Art von Verpackung in den Zeiten vor Corona noch heftigen Vorwürfen als Mitverursacher der Umweltverschmutzung ausgesetzt, ist die Diskussion inzwischen (wahrscheinlich vorübergehend) verschwunden. Es fällt plötzlich wesentlich leichter, den Stellenwert von Etiketten und Verpackungen für die Versorgungssicherheit mit lebensnotwendigen Gütern zu verdeutlichen. Den Menschen vor Augen zu führen, dass ohne sie keine Lebensmittel in die Einkaufsmärkte und keine medizinischen Produkte in die Kliniken oder Apotheken kommen würden, reicht aus. Auch der aktuell boomende Online-Handel wäre ohne Logistiketiketten lahmgelegt.

Statement einer Verbändeallianz

Die zentrale Bedeutung von Etiketten hat der VskE gemeinsam mit anderen Verbänden aus dem Verpackungssektor gegenüber der Politik schon zu einem frühen Zeitpunkt deutlich kommuniziert. Mit Datum vom 20. März 2020 ging ein entsprechendes Schreiben an das Bundeskanzleramt und alle relevanten Bundesministerien, das neben dem VskE noch zwölf weitere Verbände unterzeichnet hatten. Darin wurde die Politik unter anderem aufgefordert, Transport- und Verkaufsverpackungen zum Verpacken von Lebensmitteln und pharmazeutischen Produkten als „integralen Bestandteil und systemrelevante Produkte im Zusammenhang von Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie“ zu klassifizieren bzw. „Kritischen Dienstleistungen“ im Rahmen von § 4 „Sektor Ernährung“ und § 6 „Sektor Gesundheit“ der Verordnung zur Bestimmung Kritischer Infrastrukturen nach dem BSI-Gesetz gleichzustellen. Das dreiseitige Schreiben war von folgenden Verbänden unterzeichnet:

  • Fachverband Faltschachtel-Industrie e.V. (FFI)
  • Fachverband Kartonverpackungen für flüssige Nahrungsmittel e.V. (FKN)
  • Fachvereinigung Hartpapierwaren und Rundgefäße e.V. (FHR)
  • Gemeinschaft Papiersackindustrie e.V. (GemPSI)
  • Hauptverband Papier- und Kunststoffverarbeitung e.V. (HPV)
  • Industrieverband Papier- und Folienverpackung e.V. (IPV)
  • Verband der deutschen Lack- und Druckfarbenindustrie e. V. (VdL)
  • Verband der Hersteller selbstklebender Etiketten und Schmalbahnconverter e.V. (VskE)
  • Verband der Wellpappen-Industrie e.V. (VDW)
  • Verband Deutscher Papierfabriken e.V. (VDP)
  • Verband Vollpappe-Kartonagen e.V. (VVK)
  • Vereinigung der Arbeitgeberverbände der Deutschen Papierindustrie e.V. (VAP)
  • Wirtschaftsverband Papierverarbeitung e.V. (WPV)

Dass die Information in der Politik wahrgenommen wurde, zeigten sowohl verschiedene Antwortschreiben als auch der offiziell bekanntgegebene Beschluss des Bundeskabinetts vom 23. März, die Land- und Ernährungswirtschaft als systemrelevante Infrastruktur anzuerkennen. Darin eingeschlossen ist die komplette Lieferkette, zu der auch Hersteller von Etiketten sowie deren Zulieferer gehören, d.h. Erzeuger von Haftmaterialien, Stanzwerkzeugen, Betriebsmitteln wie Druckfarben und Lacken sowie Maschinen und Ersatzteilen, die benötigt werden, um die Produktion aufrechtzuerhalten.

Über Systemrelevanz entscheiden Landes- und Kommunalbehörden

Nach einem Bericht des Handelsblatts löste dieser Beschluss bei vielen anderen Verbänden ein Lobby-Wettrennen aus, den eigenen Sektor ebenfalls als systemrelevant erklären zu lassen. Manch eine Lobbyorganisation wie die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) habe Unternehmen die Systemrelevanz sogar eigenmächtig bescheinigt, obwohl Wirtschaftsverbände dazu eigentlich gar nicht befugt sind. In der Praxis obliegt es den einzelnen Ländern, Anordnungen zu erlassen, welche Unternehmen als „systemrelevant“ zu bewerten sind. Nur für Einrichtungen, die in den Anordnungen der zuständigen Landes- und Kommunalbehörden benannt werden, gelten auch Sonderregelungen, beispielsweise im Zusammenhang mit der Kindernotbetreuung.

Dass zum Teil Regelungen erlassen wurden, die bundesweit nicht einheitlich sind, ist auf unterschiedliche Bedarfslagen in einzelnen Ländern zurückzuführen, wie das Bundesministerium des Inneren in seinem Antwortschreiben an die Allianz der 13 genannten Verbände erklärt. Deshalb empfiehlt VskE-Geschäftsführer Klemens Ehrlitzer den Mitgliedsunternehmen auch, dass sie sich unbedingt über die jeweils vor Ort geltenden Kriterien informieren, z.B. über die Homepages der entsprechenden Landesregierung. Dort, so das Ministerium, seien in der Regel auch Hinweise über gegebenenfalls erhältliche Bescheinigungen zu finden. Auch das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) stellt auf seiner Homepage Handlungsempfehlungen für Unternehmen, insbesondere für Kritische Infrastrukturen, zur Verfügung.

Bedeutung von Etiketten und Verpackungen erkannt

Die Bedeutung von Etiketten und Verpackungen haben aufgrund der Initiative der Verbändeallianz auch noch andere Ministerien verstanden. So hat beispielsweise das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) eine Verordnung zu Abweichungen vom Arbeitszeitgesetz infolge der COVID-19-Epidemie veröffentlicht, die am 10. April 2020 in Kraft getreten ist. Der Text der Verordnung wurde entgegen dem ursprünglichen Entwurf kurzfristig geändert. Unter anderem wurde § 1 Abs. 2 Ziffer 1 um den Buchstaben d) ergänzt, so dass die Thematik rund um Verpackungsmaterialien nun sogar explizit aufgeführt ist.

Im nächsten Schritt wäre es wichtig, auch auf europäischer Ebene vergleichbare Ergebnisse zu erhalten. Deswegen haben die europäischen Papierverarbeiter in Brüssel bei der EU-Kommission einen Antrag gestellt, die Verpackungsbranche als Ganzes europäisch einheitlich als systemrelevant einzustufen. Das wäre u.a. hilfreich, um den freien und zügigen Warenverkehr sicherzustellen. Dass Verpackungen essenziell für das Aufrechterhalten der Lebensmittel- und Arzneimittelversorgung sind, dürfte der EU-Kommission im Grunde wohl bewusst sein. Um den Anschein einer Einmischung in die Zuständigkeit der Mitgliedsstaaten zu vermeiden, zeigt sie sich in diesem Punkt bislang jedoch zurückhaltend.

Auf Verbandsebene ist politische Zurückhaltung momentan nicht erforderlich. Deshalb steht der VskE über Video-Konferenzen, die alle zwei Wochen von der FINAT organisiert werden, im ständigen Austausch mit den anderen nationalen Verbänden in Europa.

Markt für Etiketten und Verpackung bleibt stabil

Die Heidelberger Druckmaschinen AG beobachtet das Geschäftsklima mit Hilfe eines globalen Print Media Industry Climate Report. Ende April hat das Unternehmen diesen Bericht erstmals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Daraus geht hervor, dass das Marktsegment Etiketten und Verpackungenin der Corona-Zeit sehr stabil ist. Das sei hauptsächlich auf die steigende Nachfrage nach Lebensmittel- und Pharmaverpackungen zurückzuführen. Das Druckvolumen im weltweiten Akzidenzmarkt hat sich dagegen seit dem Shut-Down in vielen Ländern deutlich reduziert.

Allerdings hat Covid-19 die Versorgungslage bei Haftmaterialien stark in Mitleidenschaft gezogen. Etikettendruckereien sahen sich bei nahezu allen Produkten mit mehrwöchigen Lieferzeiten konfrontiert. Die Lieferschwierigkeiten räumten auch namhafte Lieferanten öffentlich ein. Als Hauptursache wurde ein deutlich erhöhtes Bestellvolumen genannt. In der Zwischenzeit haben sich diese Unternehmen nach eigenen Aussagen auf die aktuelle Situation eingestellt, um die Lage möglichst schnell zu entspannen. Aus Sicht des VskE ist zu hoffen, dass eine genaue Analyse dieser Entwicklung Aufschluss bringt, durch welche Maßnahmen solche Engpässe in Zukunft vermieden werden können.

Lösungsansatz beim Lösemittel-Engpass

Vom Engpass bei Lösemitteln war die Etikettenindustrie zum Glück nicht so sehr betroffen wie viele andere Druckereien, da die Branche überwiegend mit UV-härtenden oder wasserbasierten Druckfarben produziert. Durch die Versorgung mit überall dringend benötigten Desinfektionsmitteln wurden nämlich bestimmte Lösemittel wie Ethanol oder 1-Propanol und 2-Propanol knapp, die auch für viele Verpackungsdruckfarben gebraucht werden. Die Allianz der eingangs aufgelisteten Verbände konnte im Dialog mit der Politik auch in dieser Angelegenheit mögliche Lösungsansätze aufzeigen. Eine Anfrage, ob die Beimischung von Bioethanol in Kraftstoffen für den Straßenverkehr vorübergehend für andere Zwecke nutzbar sei, wurde vom Bundesumweltministerium geprüft. Da ein Mindestanteil an Bioethanol in diesem Fall gesetzlich nicht vorgeschrieben ist, kann eine Verwendung für andere Zwecke erfolgen. Somit hat die Industrie bei einer anhaltenden Lösemittelknappheit eine zusätzliche Ethanol-Ressource in Reserve.

War dazu eine Pandemie nötig?

So vorteilhaft es auch sein mag, dass während der letzten Wochen in vielen Bereichen deutlich wurde, welch hohen Stellenwert Etiketten z.B. für die Versorgungssicherheit haben. Aber war für diese Erkenntnis wirklich eine Pandemie nötig? Dabei darf überdies auch nicht vergessen werden, dass hinter der Produktion von Etiketten eine ganze Industrie mit vielen engagierten und hochqualifizierten Menschen steht, deren Leistung nicht nur in Krisenzeiten adäquat honoriert werden sollte. Sowohl hier als auch in zahlreichen anderen Bereichen wäre es wünschenswert, dass all die Berufsgruppen, die im Gesundheitswesen, Pflege, Erziehung, Lebensmittelversorgung, Müllentsorgung – d.h. in sämtlichen „systemrelevanten“ Aufgabenbereichen – tätig sind, auch ohne Krise die Anerkennung erfahren, die sie seit Jahren schon verdienen sollten.

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